Der Fischerkrieg – Forschungsfragen

Ein spannender Gerichtsstreit mitten in Lübeck, über 40 Jahre lang.

von Lea Märtens und Torben Freytag

Live-Stream (YouTube)

Zeit: Die 1910er Jahre

Ort: Die Trave

Fischer Heinz holt seine Netze ein. Wieder nix drin. Missmutig betrachtet er die orange-gelben Wellen des Flusses, stinkend und ölfilmverschmiert. Letzte Woche hatten sie wieder hunderte toter Fische im Schilf gefunden, junge Brassen, Heringe, alles hin. Das reicht! Es muss etwas geschehen!

So oder so ähnlich oder auch ganz anders könnte es angefangen haben. Wenige Jahre zuvor war in einem kleinen Örtchen namens Herrenwyk ein Industriebetrieb entstanden, wie es ihn in ganz Schleswig Holstein zu dieser Zeit nicht gegeben hat und auch später nicht geben sollte: ein Hochofen. Hunderte Tonnen an Kohle wurden zu Koks verarbeitet, Erze gerieben und zu kleinen Kügelchen geformt, die Höllenglut des ersten Hochofens (später sollten es noch drei Stück werden) wurde Tag und Nacht befeuert. Kupfer, Zink und sogar Gold wurden aus der Schlacke gewonnen, Gichtgas wurde in das städtische Netz eingespeist. Und jeder einzelne dieser Prozesse produzierte nicht nur Abgase, die den Himmel über dem heutigen Kücknitz verdunkelten, sondern auch giftige und schwermetallbelastete Abwässer. Und wo blieben die wohl? Andererseits waren da noch die großen Fischfabriken in Schlutup…

Direkt gegenüber des blökernden, bollernden Industriebetriebes befand sich damals wie heute Schlutup, ein Stück flussaufwärts Gothmund. Beides traditionsreiche Fischerorte, die zum Aufstieg Lübecks zu einem sehr bedeutenden Fischereistandort beigetragen haben. Fischerorte, deren Fänge massiv einbrachen. Das ließen sie sich nicht gefallen und zogen gegen das Hochofenwerk vor Gericht.

Im Archiv der Geschichtswerkstatt Herrenwyk lagert ein Aktenkonvolut, das diese Prozessreihe, die sich bis in die 50er Jahre erstreckte, behandelt. Gerichtsakten, Gutachten, Zeitungsartikel und Briefverkehr lagern in drei Leitz-Ordnern.

Der Verein für Lübecker Industrie- und Arbeiterkultur e.V., der Förderverein der Geschichtswerkstatt, will dieses Aktenkonvolut nun erstmals erschließen, erforschen und eine Ausstellung über das Thema erarbeiten. Wir wollen das Projekt und den aktuellen Stand der Forschung vorstellen. Wir möchten das Projekt, dessen Ziel zunächst die Erforschung eines beispielhaften Stückes Regionalgeschichte ist, transparent und öffentlich gestalten und dabei regelmäßig über den aktuellen Stand der Forschung informieren. Dies wird die erste Veranstaltung dazu sein.